Mit Leidenschaft und Mut zum Risiko

SCHREIBEN Praktische Tipps für eine gute Schülerzeitung

Viele Briefe an die Ausländerbehörde in Zittau blieben unbeantwortet. Niemand wollte Julia Kluttig und Immanuel Jork dabei unterstützen, eine Familie zu begleiten, die im Asylbewerberheim der sächsischen Stadt lebt. Also sind sie auf eigene Faust losgefahren, haben vor Ort recherchiert und saßen wenige Zeit später auf dem Sofa des Kosovo-Albaners Flamur Rama. Was dann geschah, beschreiben sie in einer Reportage, die sich so spannend liest, dass man vor dem Schlusspunkt nicht aufhört.

Dies ist ein Beispiel für preisgekrönten Journalismus in Schülerzeitungen: Julia Kluttig und ihre Redaktion am Oberland-Gymnasium in Seifhennersdorf haben in diesem Jahr mit ihrem Magazin „Wooling“ den „Spiegel“-Schülerzeitungspreis gewonnen.

Kritisch Neben Politik und Kultur punkten Schülerzeitungen vor allem dann bei ihren Lesern, wenn sie Aktuelles aus ihrer Schule kritisch aufgreifen. „Gute Themen sind die, die nah dran sind an den Lesern. Dabei spielt natürlich die Schule eine große Rolle, aber auch Lifestyle- und Medienthemen bekommen bei uns gute Resonanz“, sagt Linus Luka Bahun, Art Director des „Mittelpunkt“ an der Gesamtschule Hardt in Mönchengladbach. Sie wurde in diesem Jahr im Schülerzeitungswettbewerb der Länder ausgezeichnet.

Wer in seiner Schule mit einem guten Themenvorschlag in die Redaktion einsteigen will, orientiert sich am besten an seinen eigenen Interessen: „Man sollte ein Thema vorschlagen, bei dem man sich auskennt und für das man auch Leidenschaft spürt“, sagt Mark Offermann, Chefredakteur des „Mittelpunkt“.

Themen Die Themenpalette in den Schülerzeitungen ist breit: Sie reicht von Tattoos, Migration und Homosexualität über Tipps zur Berufswahl, das Handyverbot an der Schule bis hin zu einer Anleitung, wie man im Matheabitur die Software hackt, um versteckt mit Mitschülern zusammenzuarbeiten. Sie stand in der „Tempus“, der Zeitung des Carl-Benz-Gymnasiums in Ladenburg – und musste nach Intervention der Schulleitung aus der zweiten Auflage gestrichen werden.

Problem Viele Macher von Schülerzeitungen kennen das Problem: Kritisches über die eigene Schule zu berichten, ist ihnen wichtig, und stärkt ihr Ansehen bei den Lesern. Doch Lehrer und Schulleitung reagieren manchmal nachtragend und haben zahlreiche Möglichkeiten, ihnen das Leben schwer zu machen. „Der Mut zum Risiko gehört dazu, wenn man eine gute Schülerzeitung machen will“, sagt Katharina Schröder von „Tempus“.

Jugendpresse Auch Kai Mungenast, Vorstandssprecher der Jugendpresse, ein Zusammenschluss junger Medienmacher, kennt die Schwierigkeit: Die Mitarbeiter der Jugendpresse bieten deshalb für den Fall ihre Hilfe an und bemühen sich, Schüler und Schulleitung an einen Tisch zu bringen.

Zeitaufwand Wie viel Zeit die jungen Redakteure in ihr Magazin stecken, variiert: Für Linus Luka Bahun ist von zwei Stunden am Tag bis einer 24-Stunden-Schicht unmittelbar vor Redaktionsschluss alles drin. „Ich mache teils mehr für den „Mittelpunkt“ als für die Schule“, sagt der Abiturient, der jetzt mit einem Medienpsychologie-Studium liebäugelt. Aber auch mit weniger Zeitaufwand kann man gut in der Schülerzeitung mitwirken: Sie brauche für einen Artikel manchmal nur einige Stunden, erzählt Katharina Schröder.

Vom zeitlichen Aufwand sollte sich niemand abschrecken lassen, empfiehlt der Berliner Personalberater Andreas Nolten. Denn die Schülerzeitung sei ideal, um sich auszuprobieren: „Interessen kommen nicht angeflogen, man muss Gelegenheiten wahrnehmen.“ Neben dem Schreiben gibt es dafür viele Chancen: Programmieren für die Online-Ausgabe, Anzeigen akquirieren, fotografieren, das Layout gestalten oder die Organisation in die Hand nehmen.

Finanzierung Ein schwieriges Thema ist die Finanzierung. 4000 Euro hat zum Beispiel der Druck der „Wooling“ gekostet. In strukturschwachen Regionen ist es mühsam, Anzeigenkunden und Sponsoren zu gewinnen. „Und die Verkaufserlöse auf dem Schulhof sind nur ein Taschengeld“, sagt Mungenast.

Wer Preise gewinnt, steckt das Geld oft direkt in den Druck des nächsten Magazins. Nur wenige werden von ihrer Schulleitung unterstützt. Trotz klammer Kassen ist das ein Vorteil, findet Mungenast: „Es sichert die Unabhängigkeit der Redaktion.“

Kontinuität Die kontinuierliche Mitarbeit hilft auch, wenn man das Abschlusszeugnis in der Hand hat. „Das Engagement an sich hat einen Wert in den Augen späterer Arbeitgeber“, sagt Nolten. Vor allem beim Einstieg in den Journalismus: „Uns zeigt es, dass ein Bewerber wirklich für den Journalismus brennt“, sagt Jörg Sadrozinski, Leiter der Deutschen Journalistenschule (DJM) in München.

Wettbewerbe Dabei helfen auch die Preise: Die Bundesländer schreiben jährlich zusammen mit der Jugendpresse Wettbewerbe aus, ebenso das wöchentliche Politikmagazin der „Spiegel“. Einige Redakteure haben so einen begehrten Praktikumsplatz erhalten. Julia Kluttig zum Beispiel wird nicht nur von der „Sächsischen Zeitung“ gefördert, sondern absolviert ein Praktikum in der Redaktion des „View“-Magazins.

Julia Kluttigs Kollege Immanuel Jork macht ein Praktikum beim „Stern“. „Man merkt, dass Medien ein Interesse daran haben, sich nach dem Abitur die Besten zu sichern“, sagt die junge Frau.

Nicole Walter